Trotz Wettereinfluss - Corona-Effekt auf die Luftqualität nun eindeutig
Die Hälfte der Menschheit ist im Zuge der Corona-Pandemie durch Lockdown-Maßnahmen betroffen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der europäische Satellit Sentinel-5P im Vergleich zum letzten Jahr global einen starken Rückgang von Stickstoffdioxid (NO2) zeigt. Stickstoffdioxid ist ein Indikator für Luftbelastung durch industrielle Produktion und Verkehr.
Doch der Vergleich ist trügerisch. Dieses Jahr sorgte Polarluft in weiten Teilen Europas sowie eine andauernde Westwindlage, bei der sich die Schadstoffe nicht anreichern konnten, bereits für ungewöhnlich saubere Luft. Die Beurteilung des Corona-Effekts ist daher komplex. Wissenschaftler des Earth Observation Center (EOC) im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) konnten den "Corona-Effekt" jetzt wissenschaftlich stichhaltig belegen.
Langzeitanalysen und der Einfluss des Wetters
Seit vielen Jahren liefert der europäische Satellit MetOP-A täglich Messungen der globalen Schadstoffverteilung. Die Langzeitanalysen zeigen: starke witterungsbedingte Schwankungen des Luftschadstoffs NO2 gab es immer. Allerdings erfasst der Satellit die gesamte Atmosphäre. In zunehmender Höhe können Winde Luftschadstoffe verfrachten, verdünnen oder Belastungen aus entfernten Regionen hereintragen. Daher sind diese Messungen alleine kein Beweis. Auch am Boden werden durch Winde und Niederschläge Schadstoffe verlagert oder ausgewaschen. Daher sind die Messdaten von Bodenstationen alleine auch nicht aussagekräftig genug.
Die Lombardei in Italien wurde früh von Corona heimgesucht. Ab dem 8. März 2020 hatte die italienische Regierung daraufhin in rascher Folge Quarantäne-Maßnahmen beschlossen. Satelliten- und Bodenmessungen zeigen entsprechend seit dem Lockdown eine Abweichung vom langjährigen Mittelwert. Ein erstes Indiz.
Doch wie berücksichtigen die DLR-Wissenschaftler den Einfluss des Wetters? Hierfür wird die Schadstoffbelastung am Computer simuliert.
Die Wissenschaftler starteten ihre Berechnung mit Emissionswerten von Schadstoffen, die über mehrere Jahre gemittelt wurden und die Normalsituation abbilden. Damit ist sichergestellt, dass das Modell von den Corona bedingten-Maßnahmen nichts weiß. Es berücksichtigt aber von Stunde zu Stunde die realen Wetterbedingungen. Anschließend folgt der Vergleich mit den diesjährigen Messdaten. Die modellierte Normalsituation wurde dazu von den tatsächlichen Bodenmesswerten abgezogen. Und tatsächlich: ab dem 8. März führt der Lockdown in der Lombardei zu einer echten Reduktion der NO2-Belastung um etwa 20µg/m³. Ein Rückgang um 45 Prozent.
Kombinierte Analyse
Einzig Satelliten erlauben eine kontinuierliche globale Messung von Schadstoffen. Die Untersuchung zeigt, wie gut diese Messungen zu Bodenwerten und Modellen passen. Doch erst eine kombinierte Betrachtung von Satellitenmessungen, In-situ-Daten und Computermodellierungen ermöglichen einen wissenschaftlich stichhaltigen Nachweis des "Corona-Effekts". Für pauschale Bewertungen ist das atmosphärische Geschehen zu komplex. Das wird in anderen Regionen dieser Welt deutlich. Dort liegen die derzeitigen Messwerte zum Teil innerhalb der Schwankungsbreite der letzten Jahre. Ob dies auf spezielle lokale Witterungsbedingungen oder ein späteres Einsetzen der Lockdown-Maßnahmen zurückzuführen ist, bleibt ohne genaue Untersuchung unklar.
Die Analyse für die Lombardei wurde mit Daten des europäischen Satelliten MetOp-A durchgeführt. Seit 2018 stehen mit dem europäischen Satellit Sentinel-5P nun auch Messungen in weit höherer Auflösung zur Verfügung. Diese werden künftig helfen, Emissionsquellen und Schadstofftransporte besser nachzuvollziehen. Noch fehlen hier die langen Zeitreihen, so dass nur Vergleiche zwischen 2019 und 2020 möglich sind. Um hier den Wettereffekt zumindest zu reduzieren, wurden am DLR global Monatsmittel gebildet. Hierfür wurden über zwei Monate hinweg 1,2 Billionen Einzelmessungen DLR Algorithmen verarbeitet und auf ihre Qualität hin geprüft. Auch diese Daten zeigen – wenn auch nicht wetterunabhängig – einen klare Reduktion der Emissionen. Die am DLR erzeugten Daten werden unter anderem in dem vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geförderten Projekts S-VELD genutzt, um den Einfluss von Verkehrsemissionen auf die Luftqualität in Deutschland zu analysieren.
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