Satellitendaten für deutsche Wälder in Not
Interaktive Karten im Monatsrhythmus unterstützen Forstwirtschaft, Kommunen und Politik beim Erkennen von Ursachen und beim Einleiten von Maßnahmen
Der Baumbestand in Deutschland schrumpft weiter dramatisch: Mehr als 900.000 Hektar Fläche gingen seit Herbst 2017 verloren. Das entspricht 8,5 Prozent der gesamten deutschen Waldfläche.

Die Verluste haben sich seit 2021 somit fast verdoppelt, als über 500.000 Hektar in nur drei Jahren verloren gingen, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) damals nachwies. Ein besorgniserregender Trend, der sich in den kommenden Jahren höchstwahrscheinlich fortsetzen wird. Um Forst- und Holzwirtschaftende zu unterstützen, hat das DLR den Kronendachverlust mittels Satellitendaten für ganz Deutschland kartiert und eine Webanwendung dazu entwickelt: „EO Wald“ zeigt die Bestandsverluste seit September 2017 im Monatsrhythmus, mit einer Auflösung von zehn Metern. Für das Management von Wäldern ist es wichtig, den Zeitpunkt der Verluste zu kennen sowie die Entwicklungen über lange Zeiträume zu verfolgen.

Die interaktiven Karten von EO Wald sind frei zugänglich. Sie können die Holzwirtschaft, Kommunen und die Politik dabei unterstützen, zeitnah auf Ereignisse zu reagieren und adäquate Maßnahmen zur Wiederaufforstung zu ergreifen. Ziel ist es, eine wirtschaftliche und nachhaltige Waldentwicklung zu ermöglichen. Dies ist auch hinsichtlich des globalen Wandels bedeutend. Als grüne Lunge der Erde gewährleisten gesunde Wälder eine hohe Aufnahme von Kohlenstoff und sind resilienter gegenüber klimatischen Extremereignissen.

„Umwelteinflüsse und Schädlingsbefall haben in unseren Wäldern deutliche Spuren hinterlassen. Durch die Nutzung von Satellitendaten können wir in kurzen zeitlichen Abständen und hoher räumlicher Auflösung das Kronendach der Wälder erfassen . In unserem neuen Webdienst EO Wald haben wir die raum-zeitliche Dynamik der Kronendachverluste visualisiert“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Mit dieser großflächigen Verarbeitung von Massendaten hin zu einer breiten Palette an Informationsprodukten unterstützen wir Forst- und Wirtschaftsbetriebe, sowie andere öffentliche Stakeholder in ihrer Arbeit. So können Waldschäden gezielt quantifiziert und prognostiziert werden. Daraus abgeleitete Maßnahmen helfen, unsere Wälder zu schützen und zu erhalten.“
Entwicklungen und Ursachen identifizieren
Ungewöhnlich starke Dürreperioden, Hitzewellen und Stürme haben Deutschlands Wälder in den vergangenen Jahren zugesetzt. Die gestressten Bäume sind zudem anfällig für Schädlinge, so dass vielerorts Bäume absterben und teilweise großflächig notgefällt werden müssen. Mit Laien-verständlich aufbereiteten Karten eröffnet EO Wald dazu einzigartige Einblicke. Das neue Datenportal wurde am Earth Observation Center (EOC) des DLR entwickelt und im Rahmen des Projekts ForstEO validiert.
EO Wald bietet Ansichten und Vergleiche auf Pixelebene sowie auf Ebene der Bundesländer, Landkreise und Gemeinden. Eine Zeitachse zeigt den prozentualen Anstieg der Kronendachverluste im jeweils ausgewählten Gebiet pro Monat. Nutzerinnen und Nutzer können die Zeiträume auch anpassen oder bestimmte Gebiete im monatlichen, saisonalen sowie jährlichen Überblick betrachten. Dank der räumlich und zeitlich hohen Auflösung lässt sich auf den Karten nachvollziehen, wo es wann zu welchen Verlusten kam. Dies hilft auch, die Ursachen besser zu identifizieren. Verluste, die sich zum Beispiel kreisförmig ausbreiten, deuten auf Schädlinge hin, geometrische Flächen hingegen auf Ernten. Durch die genauen zeitlichen Informationen lassen sich verschiedene Ereignisse exakt verorten wie zum Beispiel Waldbrände, Sturmereignisse oder gezielte Maßnahmen zum Ausbau von Infrastruktur.
Die Winteraufnahmen der Satelliten offenbaren den Großteil der Verluste: In der kalten Jahrezeit findet die reguläre, aber auch die schadgetriebene Holzernte statt. Das Holz weist dann eine gute Qualität auf, und der gefrorene Waldboden ist weniger empfindlich gegenüber den schweren Erntemaschinen. Zusätzlich fordern Winterstürme herbe Verluste, da sie weitflächig und gerade auch den gesunden Baumbestand treffen können. Um solche Entwicklungen zu beobachten und zu verstehen, sind die satellitenbasierte Fernerkundung und kontinuierliches Monitoring unverzichtbar.
Big Data für Anwender
Das DLR ist deutschlandweit führend im Bereich der Big Data Analyse von großflächigen Erdbeobachtungsdaten und deren Veredelung zu einer breiten Palette an Informationsprodukten. Für die Berechnung der Kronendachverluste nutzten die Forschenden unter anderem Daten der Sentinel-2-Satelliten des europäischen Copernicus-Programms sowie der amerikanischen Satelliten Landsat-8 und -9.
„Mit EO Wald sind wir auf eine ‚wissenschaftliche Zeitreise‘ gegangen. Für den Beobachtungszeitraum von 2017 bis 2024 haben wir mehrere zehntausend Datensätze im Monatsrhythmus analysiert und für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht. Ich freue mich besonders, dass wir auch schon mit Behörden und ersten Anwendern im Austausch sind“, erklärt Projektleiter Dr. Frank Thonfeld vom Earth Observation Center (EOC) des DLR. So wird der EO-Wald-Datensatz bereits von den Bayerischen Staatsforsten AöR sowie der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft genutzt.
Einfluss durch Mensch und Umwelt
Extreme Wetterereignisse wie ungewöhnlich starke Dürre- und Hitzeperioden werden in Hinblick auf den globalen Wandel weiter zunehmen. Die in Deutschland dominierenden Fichtenwälder etwa haben durch die trockene Hitze und die dadurch begünstigten Borkenkäfer-Populationen bereits drastische Verluste erlitten – diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich fortsetzen. Für das Waldmanagement ist es daher essenziell, solche Trends vorherzusehen. Langjährige Satellitendaten-Zeitreihen ermöglichen es, die großen Waldgebiete kontinuierlich zu beobachten und Veränderungen zu erkennen.
Das gilt für natürliche Prozesse ebenso wie für geplante und ungeplante Eingriffe durch den Menschen. Um die Waldschäden der letzten Jahre aufzuarbeiten, waren etwa außergewöhnlich großflächige Holzeinschläge notwendig. Solche Verluste wirken sich auf das gesamte Ökosystem des Waldes aus und beeinflussen unter anderem Mikroklima, Wasserhaushalt, Oberflächenabfluss, Grundwasser-Neubildung, Wasserqualität und Biodiversität. Darüber hinaus müssen auch die Folgen des Klimawandels genauer quantifiziert werden. Mit EO Wald verfügen Entscheidungsträger nun über eine wissenschaftliche Datengrundlage, um geeignete Strategien zum Schutz und Aufbau der Wälder zu erstellen.
Wiederaufforsten mit Weitblick
Beim Umbau eines Waldes und der Wiederaufforstung ist besondere Weitsicht gefragt: Welche Baumarten trotzen den gegenwärtigen Klimabedingungen? Und sind sie auch in 60 bis 80 Jahren den dann herrschenden Bedingungen gewachsen? In Deutschland wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vorrangig Fichten als wichtigster Holzlieferant aufgeforstet, nicht selten standortfremd. Mit ihrer ähnlichen Alters- und Wuchsstruktur sind sie als Monokultur wenig widerstandsfähig.
Die bisherigen Daten machen deutlich, dass Reinkulturen von Fichten, Kiefern und Buchen besonders gefährdet sind. Mischwälder hingegen sind resilienter und weisen eine bessere Risiko-Verteilung auf. Biodiversität und eine gemischte Waldstruktur mit jungen wie auch alten Bäumen sind also ein Schlüssel für gesunde Wälder. Bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Nutzung stellt das eine große Herausforderung dar, da es mehrere Jahre bis Jahrzehnte dauert bis ein neuer Wald entsteht.
Zur Bewältigung dieser Herausforderungen, gibt die neue Datenplattform einen Überblick über die Kronendachverluste. Ein möglicher Wiederbewuchs ist in den Karten nicht berücksichtigt, denn dazu sind die Jungpflanzen während des siebenjährigen Beobachtungszeitraums noch zu klein. Der Zustand der Wälder wird jedoch durch hochauflösende Erdbeobachtungssatelliten wie Sentinel-1 und Sentinel-2 laufend erfasst. Die Forschenden am Earth Observation Center (EOC) des DLR arbeiten daher bereits an neuen Datensätzen und wollen ihren Webdienst künftig erweitern. Um die nachhaltige Entwicklung und Bewirtschaftung von Wäldern zu unterstützen, präsentiert das DLR nun EO Wald und bringt dort seine umfassende Expertise im Bereich Fernerkundung ein.
Weiterführende Links
Website EO Wald
Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR
Thema im Fokus: Das System Erde im Blick
- Tags: Analyse von Satellitendaten Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Geo-Intelligenz Geo-IT GeoAI GEObranchen_de Geodaten-Management Geographie Geoinformatik Geoinformation Geoinformationen für die Zukunft Geoinformationstechnologie Geoinformationstechnologie (GeoIT) GEOjobs_de Geoportal