Eisige Details im Zentimetermaßstab: DLR-Kamera untersucht arktisches Meereis aus der Luft im Rahmen der MOSAiC-Expedition
Das vom DLR entwickelte Kamerasystem MACS soll Aufnahmen im nah-infraroten sowie im thermalen Infrarotspektrum möglich machen
Aktuell finden erstmals seit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie wieder Flüge der Forschungsflugzeuge Polar 5 und Polar 6 vom Flughafen Longyearbyen auf Spitzbergen in die zentrale Arktis statt. Beide Maschinen fliegen im Rahmen der MOSAiC-Expedition unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) zur Untersuchung von Atmosphäre und Meereis. Mit an Bord: die hochauflösende Luftbildkamera MACS (Modular Aerial Camera System) sowie Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Besonders interessiert die Forschenden, wie sich die Dicke des untersuchten Meereises entwickelt und wie die Veränderungen der Eisflächen besser sichtbar gemacht werden können. Die zudem beteiligten DLR-Atmosphärenforscher wollen herausfinden, auf welche Weise sich Wolken über dem Arktischen Ozean bilden.
Vom Mount Everest in die Arktis
Bereits eine frühere Version des Kamerasystems MACS hat am Mount Everest im Himalya Aufnahmen von Eis und Schnee unter extremen Umweltbedingungen in 3D und hoher Detailtiefe geliefert. "Diese Erfahrungen haben wir genutzt, um nun ein weiterentwickeltes Kamerainstrument zur Fernerkundung polarer Regionen zu entwickeln, das neben einem Kanal für sichtbares Licht auch über einen Kanal für das nah-infrarote Licht sowie für thermales Infrarot verfügt", berichtet Jörg Brauchle vom Berliner DLR-Institut für Optische Sensorsysteme, der mit an Bord der Polar 6 fliegt. "Damit schließen wir eine Lücke zwischen der sehr aufwendigen detaillierten Erkundung am Boden und den großflächigen, aber geringer auflösenden Fernerkundungsdaten aus dem Weltall", so Brauchle weiter.
Die MACS-Aufnahmen aus der Luft ermöglichen es, automatisch den Eis-Bedeckungsgrad auf dem Wasser sehr hochaufgelöst zu bestimmen. Zudem helfen die optischen Aufnahmen den Forschern Rauigkeiten von Eis und Schnee abzuleiten, um beides besser charakterisieren und klassifizieren zu können sowie Prozesse im Meereis besser zu verstehen. Die nah-infraroten Aufnahmen dienen zur automatischen Detektion von Wasser und Eisschollen, die thermalinfraroten Bilder lassen Temperaturunterschiede zwischen Eis und Umgebung sowie überfrierende Risse besser erkennen. Durch die hohe Aufnahmerate von vier Bildern pro Sekunde ist es möglich, auch bei tiefen Flügen von nur 100 Metern über Grund lückenlos alles aufzunehmen, was sich unter dem Flugzeug befindet. Es können Details von bis zu zwei Zentimetern Größe erkannt werden.
Seit den ersten Flügen Anfang September konnten mit MACS mehr als 300.000 Bilder aufgenommen werden. "Selbst bei den derzeit sehr geringen Temperaturunterschieden zwischen Wasser und Eis sind deutliche thermale Signaturen erkennbar", unterstreicht Brauchle. "Wenn die Kamera auf einer der kommenden Winterexpeditionen eingesetzt wird, sind noch größere Temperaturunterschiede zu erwarten, die der leistungsfähige Thermalsensor dokumentieren wird." Insgesamt helfen die detaillierten Eis-Daten bei der Verbesserung von Klimamodellen und dienen als Trainingsgrundlage für neue KI-Methoden, mit deren Hilfe die große Anzahl an Bildern ausgewertet werden sollen. Neben der Dokumentation der Oberflächeneigenschaften des Meereises kommt für die Meereisdickenmessung an Bord der Polar 6 ein elektromagnetisches Messsystem (EM-Bird) des AWI zum Einsatz, welches vom Flugzeug in 15 Metern Höhe über die Eisoberfläche geschleppt wird.
Tropfengrößenverteilung und Analyse von Eiskristallformen für die Wolkenforschung
Während Polar 6 das Meereis des Arktischen Ozeans vermisst, konzentriert sich die Crew der Polar 5 auf die Untersuchung der Atmosphäre und der Wolken über dem Arktischen Ozean. Von vorhergehenden Untersuchungen weiß man, dass Wolken maßgeblich zur rasanten Erwärmung der Arktis beitragen. Moderne Atmosphärenmodelle aber unterschätzen bislang den Einfluss der Wolken und simulieren ihn noch zu unpräzise. Aus diesem Grund vermisst das Team aus Forschenden des AWI, des DLR sowie der Universitäten Leipzig, Bremen, Köln, Mainz und Clermont Auvergne die Luftmassen großräumig über dem Arktischen Ozean und untersucht im Detail alle für die Wolkenbildung relevanten Faktoren. "An Bord von Polar 5 messen wir mikrophysikalische Wolkeneigenschaften wie Tropfengrößenverteilung, Phase, Eis- und Flüssigwassergehalt sowie die Eiskristallformen", erklärt Valerian Hahn vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. "Ein weiteres Hauptaugenmerk liegt auf arktischen Mischphasenwolken", ergänzt Manuel Moser desselben Instituts. Die Forschenden folgen bei ihren Messungen in der arktischen Luft unter anderem auch der Route, die zuvor der Forschungseisbrecher Polarstern im Rahmen der MOSAiC-Kampagne genommen hat.
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