Die Vermessung der Kogge: Wie das mittelalterliche Handelsschiff untersucht wird
Sie bewegt die Wissenschaft noch immer - die Bremer Kogge von 1380. Seit ihrem Fund am 8. Oktober vor 60 Jahren steht das mehr als 600 Jahre alte Handelsschiff aus dem Mittelalter bei Forschenden im Fokus und treibt die Gemüter zu immer neuen Erkenntnissen. In der Kogge-Halle des Deutschen Schifffahrtsmuseums / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte selbst soll das Handelsschiff jedoch so reglos wie möglich stehen. Ein Team vom Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik der Jade Hochschule (IAPG) beobachtet jede noch so kleine Veränderung. Die Ergebnisse des Monitorings werden bald in einer Publikation veröffentlicht.
Halbjährlich mustert Heidi Hastedt die Kogge Millimeter für Millimeter. Die Vermessungsingenieurin will wissen, wie viel Bewegung im Holz steckt und ob das jahrhundertealte Wrack stabil in der Ausstellung steht.
Seit 2020 ist die Kogge unter Beobachtung: Behält sie ihre Form? Verändert sich das Holz? Stahlstreben geben dem alten Handelsschiff seit ein paar Jahren zusätzlich Halt. Doch die DSM-Restauratorin Silke Wiedmann will es genau wissen und Augenmaß reicht nicht aus. Damit das Hauptexponat des DSM aus dem Jahr 1380 der Welt so lange wie möglich erhalten bleibt, braucht es Präzision. Wiedmann markierte 400 sensible Punkte am Wrack, an denen Veränderungen sichtbar werden. Ein Team vom Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG) der Jade Hochschule unter der Leitung von Heidi Hastedt überprüft das Wrack nun im Rahmen einer Kooperation regelmäßig auf Veränderungen. Die Profis nutzen modernste Messmethoden mit Lasern und Photogrammetrie. „Für mich ist es ein besonderes Projekt, da das historische Schiff einmalig und für die Vermessung besonders ist. Zudem ist es das größte Objekt, mit dem ich bisher zu tun hatte“, sagt Hastedt.
Seit zweieinhalb Jahren sammeln die Profis Daten. Bei jedem Besuch nimmt eine Kamera Messbilder auf, aus denen die 3D-Position der 400 Messpunkte besser als auf einen Millimeter ermittelt werden. Im Anschluss werden die Daten mit denen der vorherigen Messung verglichen. „Zum einen erstellen wir mit einem photogrammetrischen Verfahren die 3D-Koordinaten des Schiffswracks. Zum anderen vermessen wir Bezugspunkte in der Gebäudestruktur, in dem die Kogge steht. Damit wollen wir sicher sagen, welche Deformationen in Art und Größe an der Kogge stattfinden – wenn sie denn stattfinden“, erklärt die Ingenieurin. Um das fragile Holz nicht zusätzlich zu gefährden, montierte Restauratorin Silke Wiedmann die Messpunkte auf besonderem japanischen Papier, das mit pflanzlichem Kleber an der Kogge fixiert wurde. So lassen sie sich jederzeit entfernen, ohne das Holz der Kogge zu beschädigen. Prof. Dr. Thomas Luhmann vom IAPG ergänzt: „Das Projekt ist von hohem wissenschaftlichen Interesse auch für uns, denn die entwickelte Mess- und Auswertetechnik lässt sich grundsätzlich auch für andere gefährdete Objekte einsetzen, seien es Leuchttürme oder weitere Museumsobjekte.“
Nachdem Hastedt die ersten vier Epochen der Untersuchung ausgewertet hat, ist ihre wichtigste Botschaft: Bisher sind keine Veränderungen zu sehen, auch weil die Kogge-Halle ständig klimatisiert ist. Dennoch bleibt sie auf der Hut: „Da das Museum auf einer Halbinsel gebaut ist, bewegt es sich mit dem Tidenhub. Unklar ist, ob die Bewegungen immer gleich sind. Deshalb können wir noch nicht ganz sicher sein, wie groß der Einfluss auf das Netz als Referenz für die Vermessung der Kogge ist“, sagt sie Geodätin. Sie bringt in das Kogge-Projekt, das aufgrund der diversen Messtechniken und der Anforderungen einen hohen Forschungscharakter hat, ihre ganze Erfahrung aus 21 Jahren Berufspraxis ein.
Wiedmanns und Hastedts Ergebnisse des Monitorings fließen demnächst in eine Publikation und werden dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Weitere Informationen: www.dsm.museum
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