Um die tatsächlichen Gegebenheiten und Potenziale im Untergrund der Stadt Frankfurt zu ermitteln, lässt die Stadt Frankfurt am Main als Bauherrin seit Anfang November eine Forschungsbohrung vorbereiten. Das Hessische Wirtschaftsministerium stellt die finanziellen Mittel zur Durchführung der Forschungsbohrung zur Verfügung. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Ziel des Vorhabens ist, verlässliche Aussagen darüber zu machen, mit welchem Aufwand Erdwärme im Frankfurter Untergrund gewonnen werden kann.
Denkbar ist, das künftig gut gedämmte Gebäude direkt mit Erdwärme geheizt werden oder auch große Gebäudekomplexe unter Einsatz von Wärmepumpentechnologie wirtschaftlich mit Erdwärme versorgt werden können. Die gewonnenen Daten können auch eine Planungsgrundlage für die Konzeptionierung der Wärmeversorgung beispielsweise der Neubauprojekte Rebstockbad und ggf. Römerhöfe liefern. Diese Gebäude würden im Idealfall eine CO2-freie Wärmeversorgung erhalten. Der Erkundungsstandort auf dem Rebstock Gelände in Frankfurt wurde heute im Rahmen eines Pressetermins von Jens Deutschendorf, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW), besucht.
Zitat Staatsekretär Jens Deutschendorf: „Wir wollen unser Land in weniger als 25 Jahren klimaneutral machen und unseren Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Quellen decken. Mit ihrer ganzjährigen Verfügbarkeit ist die Geothermie eine hervorragende Ergänzung zu Sonne und Wind; besonders interessant ist sie zur Beheizung von Gebäuden. Wir haben bereits mit landesweiten Erkundungsbohrungen die Potenziale für eine sichere und effiziente Nutzung der oberflächennahen Erdwärme untersucht. Nun starten wir im Randbereich der sogenannten geothermischen Anomalie in Frankfurt eine mitteltiefe Forschungsbohrung, die neue Einblicke und Hinweise auf Entwicklungsmöglichkeiten verspricht.“
Zitat Rosemarie Heilig, Klimadezernentin Frankfurt: „Auch bei erheblicher Steigerung der Eigenerzeugung wird Frankfurt nicht in der Lage sein, ausreichend erneuerbare Energie auf dem Stadtgebiet zu erzeugen. Dafür reichen die eigenen Flächen nicht aus. Biomasse ist ebenfalls nicht in ausreichender Menge vorhanden und Solarenergie lässt sich nur schlecht vom Sommer in den Winter transferieren. Wenn wir mit der Forschungsbohrung beweisen können, dass da ein lohnenswerter Wärmeschatz unter Frankfurt schlummert, dann werden wir ihn auch nutzen. Ich danke dem Land Hessen, insbesondere dem finanzierenden Wirtschaftsministerium, das uns diese besondere Möglichkeit eröffnet hat.“
Zitat Mike Josef, Dezernat III: „Die Erschließung und Nutzung regenerativer Energien ist ein wichtiges Ziel für unsere zukünftige Energieversorgung. Durch die Zusammenarbeit des Landes Hessen, der Stadt Frankfurt am Main, der Frankfurter Bäder und den weiteren Beteiligten bestehen die besten Voraussetzungen für die Erkundung und Entwicklung einer nachhaltigen Energiegewinnung. Die Forschungsbohrung auf dem Gelände des neuen Rebstockbades bietet zudem die Chance, einen maßgeblichen Beitrag zur Wärmeversorgung für unsere Badegäste beizutragen. Ich danke dem Land Hessen und allen Beteiligten für die kooperative und zukunftsweisende Zusammenarbeit.“
Zitat Dr. Boris Zielinski, Frankfurter Bäder: „Mit dem neuen Rebstockbad entsteht auch hinsichtlich des Energiekonzeptes ein Leuchtturmprojekt für die deutsche Schwimmbadlandschaft. Hierzu sind z.B. die Optimierung der Energie- und Medienverbräuche durch eine sehr gut wärmedämmende Hülle und energieeffiziente Anlagen mit Wärmerückgewinnung vorgesehen.“
Mögliche neue Wärmequelle für Frankfurt
Die vom HLNUG als Bohrung der Geologischen Landesaufnahme konzipierte und koordinierte Forschungsbohrung am Rebstockbad soll Erkenntnisse über eine geothermische Anomalie liefern, um zu klären, ob Wärme direkt zur Beheizung der Stadt genutzt werden könnte. Frankfurt hätte dann eine neue Wärmequelle, die entweder direkt oder mit geringem Aufwand zusätzliche Energie zum Heizen liefern könnte. Sie käme zu den weiteren Wärmequellen aus Abwasser, Flusswasser, industrieller und gewerblicher Abwärme von Rechenzentren hinzu, die im Abwärmekataster der Stadt Frankfurt bereits erfasst sind. Mehr dazu unter frankfurt.de/abwaerme sowie zur Geothermie in Frankfurt unter frankfurt.de/geothermie
Das Projektkonsortium der Forschungsbohrung
Für das einzigartige Projekt haben sich das Hessische Wirtschafts- und Energieministerium HMWEVW, das HLNUG, als zuständige Behörde für die geologische Landesaufnahme und die Bauherrin und Auftraggeberin Stadt Frankfurt am Main, vertreten durch das Energiereferat, mit mehreren Partnern zusammengefunden. Im Projekt kümmert sich die LandesEnergieAgentur Hessen (LEA) um Organisation und die BäderBetriebe Frankfurt GmbH unter dem Dezernat III stellen das Grundstück zur Verfügung. Es gibt bereits heute reges Interesse und viele Unterstützer der Idee.
Zitat Prof. Dr. Thomas Schmid, Präsident des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG): „Frankfurt ist für uns aus geologischer Sicht geradezu ein Hotspot der oberflächennahen und mitteltiefen Geothermie und hochinteressant. Die Situation im Untergrund hier ist einmalig: So hohe Temperaturen in geringer Tiefe über eine so große Fläche finden sich unserer Kenntnis nach nirgends sonst in Hessen. Sollte unsere wissenschaftliche Auswertung der Forschungsbohrung zeigen, dass neben den hohen Temperaturen auch sehr hohe Wassermengen gefördert werden können, dann könnten künftig sehr viele Frankfurterinnen und Frankfurter von der geothermischen Energie profitieren, die hier in der Tiefe schlummert.“
Zitat Frau Julia Woth, Abteilungsleiterin Erneuerbare Energien, klimaneutrales Wirtschaften & E-Mobilität der LEA LandesEnergieAgentur Hessen GmbH: „Die Geothermie ist in der Lage Wärme, Kälte und Strom unabhängig von Tages- und Jahreszeit und politischen Krisensituationen zuverlässig, preisstabil und klimafreundlich bereitzustellen. Insbesondere im Wärmemarkt, auf den mehr als die Hälfte des gesamten nationalen Primärenergiebedarfs entfällt, kann der Ausbau der Geothermie die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten deutlich reduzieren. Im Bereich großer Wohngebäude, Industrie oder innerstädtischen Projekten kommt die oberflächennahe Geothermie, aufgrund des Platzbedarfs an ihre Leistungsgrenzen. Hier setzt die mitteltiefe Geothermie mit Bohrtiefen bis rund 1000 m an. Wir hoffen, dass die Forschungsbohrung am Rebstockbad den Anstoß gibt, dieses Potenzial im Raum Frankfurt zukünftig zu nutzen.“
Zitat Mainova-Technikvorstand Martin Giehl: „Wir treiben die Dekarbonisierung der Frankfurter Wärmeversorgung mit einer Vielzahl verschiedener Vorhaben voran. Geothermie könnte zusätzlich zur Umstellung des HKW West auf klimaneutrale Gase, der verstärkten Nutzung von Müll oder der Integration von Abwärme aus Rechenzentren oder Industrieprozessen ein weiterer Baustein einer klimaneutralen Wärmeversorgung sein. Daher unterstützen wir die Stadt Frankfurt bei diesem Forschungs-Vorhaben und sind sehr an den Projektergebnissen interessiert. Hieraus kann sich eine weitere Zukunftsoption für unseren künftigen Erzeugungs-Mix ergeben.“
Zitat Vulcan Dr. Kristian Bär, Vulcan Energie Ressourcen GmbH: „Vulcan fördert und begleitet die Forschungsbohrung zur Geologischen Landesaufnahme in Frankfurt am Rebstockbad wissenschaftlich. Wir möchten damit dazu beitragen, dass die bisher unzureichende Datenlage über den tieferen Untergrund im Bereich Frankfurt und das Rotliegend durch Erkundungsbohrungen zum Wohl der Allgemeinheit verbessert wird. Die Ergebnisse der Forschungsbohrung in Frankfurt lassen sich dann tendenziell auch auf andere, potenzielle tiefengeothermische Reservoirgesteine des Oberrheingrabens übertragen. Für unsere dortigen Lizenzgebiete, die sich zwischen Rüsselsheim und Viernheim erstrecken, bedeutet die Bohrung in Frankfurt einen Mehrwert auf dem Weg zu einer erneuerbaren Wärme- und Stromproduktion in Südhessen. Sollten die Thermalwasseruntersuchungen auch den ersten Nachweis über ausreichend hohe Lithiumgehalte in der Sole liefern, können wir als Unternehmen mit unseren Lizenzen im Oberrheingraben nicht nur ein Vorreiter in der erneuerbaren Wärme- und Stromgewinnung, sondern auch in der Produktion hessischen Lithiums für die Umsetzung der Mobilitätswende sein.“
Zeitrahmen der Forschungsbohrung
Für die Bohrung und die begleitende Forschung sind etwa 18 Wochen angesetzt. Die Arbeiten sind im vollen Gange und sollen Ende März abgeschlossen sein.
Fachlicher Hintergrund zur Forschungsbohrung
Das Projekt fußt auf Feststellungen des HLNUG, welches im Rahmen der Geologischen Landesaufnahme schon vor nunmehr rund zehn Jahren die Annahme der Existenz einer geothermischen Anomalie im Bereich des Innenstadtgebietes von Frankfurt getroffen hat. Sämtliche Forschungstätigkeiten an der Bohrung werden vom HLNUG koordiniert.
Die Forschungsbohrung am Frankfurter Rebstockbad soll circa 700, maximal 800 Meter Tiefe erreichen. Alle Beteiligten erhoffen sich davon neue Erkenntnisse zum Untergrund: Hierbei geht es zum einen um das Gestein, das so genannte „Rotliegend“, und dessen hydraulische und geothermische Eigenschaften (z. B. Durchlässigkeit, Wärmeleitfähigkeit). Neben dem Gestein spielt aber auch das Grund- bzw. Thermalwasser sowie die Zusammensetzung eine entscheidende Rolle, das im Untergrund von Frankfurt besonders hohe Temperaturen aufweist. Dieses Thermalwasservorkommen unterhalb der Stadt wird vermutlich durch einen Zustrom aus dem Gestein im Oberrheingraben in Tiefen von mehr als 2.000 Metern gespeist. Bestätigt die Forschungsbohrung die Temperaturprognose des HLNUG und sind die Gesteine des Rotliegenden durchlässig genug, um ausreichende Mengen heißes Wasser fördern zu können, kann das Thermalwasservorkommen künftig zur Wärmeversorgung in der Stadt genutzt werden. Der geplante Untersuchungsumfang wurde vom HLNUG mit verschiedenen Partnern, wie dem Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) in Hannover, der Technischen Universität Darmstadt, der Technischem Universität Freiberg sowie der Firma Vulcan Energie Ressourcen GmbH festgelegt.
Das HLNUG wertet im Anschluss an die Forschungsbohrung sämtliche bei dem Projekt erhobenen Daten aus. In einem Steckbrief fasst sie die Ergebnisse im Rahmen der geologischen Landesaufnahme zusammen und veröffentlicht diese auf dessen Webseite www.hlnug.de. Auf Grundlage des künftigen Steckbriefs können Planer, Bauwillige, Kommunen, Bohrfirmen und Energieversorger zuverlässig die Dimensionierung von Wärmegewinnungsanlagen wie Erdwärmesonden berechnen sowie die Bohr- und Ausbauarbeiten planen.
Geothermie in Frankfurt
In Frankfurt gibt es etwa 250 Erdwärmesonden-Anlagen mit einer aufsummierten Heizleistung von rund 10.000 Kilowatt. Die größten Anlagen stehen auf dem Areal des Henninger Turms sowie auf dem im Bau befindlichen Hochhausensemble FOUR Frankfurt. Allerdings zählen alle diese Anlagen zur oberflächennahen Geothermie. Derzeit gibt es in Frankfurt noch keine mitteltiefen Geothermie-Projekte, was sich aber mit den Erkenntnissen aus der Forschungsbohrung Rebstockbad ändern könnte. Im Hinblick auf die geplante Endteufe von 800 Metern handelt es sich bei der Forschungsbohrung am Rebstockbad um die tiefste jemals niedergebrachte Bohrung im Frankfurter Stadtgebiet.
Weitere Informationen
- Informationen zu Geothermie unter frankfurt.de/geothermie
- Abwärmekataster der Stadt Frankfurt am Main unter: frankfurt.de/abwaerme
- https://www.hlnug.de/themen/geologie/erdwaerme-geothermie
- https://www.hlnug.de/presse/geothermie-in-hessen-1
- https://www.hlnug.de/themen/geologie/erdwaerme-geothermie/tiefe-geothermie