Air2X - Kooperation von Hubschrauber, Drohnen und vernetzten Fahrzeugen
DLR und ADAC Luftrettung haben in einer Live-Demonstration gezeigt, wie sich Luftrettungseinsätzen schneller und sicherer gestalten lassen
Im Projekt Air2X hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit der ADAC Luftrettung und den Unternehmen NXP Semiconductors Germany sowie Consider IT ein Konzept entwickelt, wie sich Rettungseinsätze von Hubschraubern zum Beispiel auf Autobahnen oder Landstraßen sicherer und schneller durchführen lassen. Dass dieses Konzept in der Praxis funktioniert, haben die Partner bei einer erstmals in dieser Form durchgeführten Live-Demonstration am 13. Oktober 2021 am Cruise Terminal in Hamburg-Steinwerder gezeigt. Die Vorführung fand im Rahmen des ITS World Congress statt, der vom 11. bis 15. Oktober in Hamburg gastierte.
Im Mittelpunkt steht die Kommunikation zwischen Hubschrauber, vernetzten Fahrzeugen und Drohnen, im Fachjargon auch Air2X-Kommunikation genannt. Die Projektpartner nutzen den in vernetzten Fahrzeugen eingesetzten Funk-Standard ITS-G5. Mittels eines kompakten Funksenders an Bord des Hubschraubers sendet die Besatzung zunächst ein Signal an Drohnen in der Umgebung, den Luftraum für den Rettungseinsatz freizumachen. Dann informiert sie die vernetzten Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe des Unfallorts über den geplanten Landeplatz. Diese Fahrzeuge bremsen dann ab, halten an und bilden eine Barriere für alle nachfolgenden Fahrzeuge. So entsteht ein sicherer Landeplatz, die Besatzung des Hubschraubers kann unabhängig von den Rettungskräften am Boden agieren und ist wesentlich schneller bei den Verletzten. Gleichzeitig steigt die Sicherheit für die Rettungskräfte in der Luft, am Boden und von Dritten.
DLR-Mission für die Zukunft: Verkehr auf der Straße und im bodennahen Luftraum zusammenbringen und managen
Die Mobilität von morgen wird multimodal sein, also unterschiedliche Verkehrsmittel vernetzen und kombinieren. „Wenn wir die zukünftige Mobilität verändern wollen, müssen wir heute schon bei technologischen und regulatorischen Fragen vorausdenken“, sagt Prof. Dr.-Ing. Karsten Lemmer, Mitglied des DLR-Vorstands und verantwortlich für Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastruktur. „Deswegen bringen wir bei Air2X Spitzenforschung, Industrie und Anwender zusammen. Die DLR-Forschung selbst steuert Know-how bei, welches das ganze Verkehrssystem umfasst: Expertise zu hochautomatisierten und vernetzten Fahrzeugen, zur Fahrzeugkommunikation und Verkehrspsychologie, aber auch Wissen und Erfahrung im Bereich des bodennahen Luftverkehrs und dessen Management.“
Seriennahe Fahrzeug-Technologie trifft auf etablierte und neue Player im Luftraum
„Fahrzeugseitig arbeiten wir im Projekt Air2X nah an der Serientechnologie. Wir senden über Funk eine bereits standardisierte Nachricht. Diese enthält die Information über einen Rettungseinsatz. Das Fahrzeug muss diese Information verarbeiten und entsprechend reagieren“, beschreibt Projektleiter Maik Bargmann vom DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik. In der Live-Demonstration reagieren die DLR-Forschungsfahrzeuge vollautomatisch auf die Nachricht, bremsen und halten an. „In naher Zukunft könnten die Fahrzeuge, die über die entsprechende Hard- und Software verfügen, einen Warnhinweis anzeigen. Zum Beispiel: Rettungseinsatz voraus, bitte bremsen“, beschreibt Bargmann. Bei der Umsetzung des Air2X-Konzepts musste das Team neben den technologischen Herausforderungen auch regulatorische Aspekte meistern. Dazu gehörte die Freigabe der Funkfrequenzen für diesen Einsatzbereich. Generell sind hier die Vorlaufzeiten lang und der Wettbewerb um Frequenzbereiche groß – ein wichtiger Faktor für die weitere Arbeit und praktischen Umsetzung des Ansatzes.
Wesentlich weniger reguliert und standardisiert ist hingegen der Bereich der Drohnen. Aus Sicherheitsperspektive stellen sie eine große Herausforderung dar: Ein Zusammenstoß von Drohnen und Hubschrauber kann schwerwiegende Folgen haben. Im Fokus der DLR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler standen deshalb unterschiedliche Ansätze, um Drohnen eine entsprechende Information über den Rettungseinsatz zusenden. Das Ziel ist es, dass die Drohnen den betroffenen Luftraum freimachen oder kontrolliert und sicher landen. Im Praxistest waren auch hier spezielle Forschungsdrohnen des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik im Einsatz.
Landen auf Autobahnen und Straßen: besondere Herausforderung für Hubschrauber-Besatzungen
Im Jahr 2020 hat die ADAC Luftrettung rund 2.500 Landungen auf Straßen durchgeführt. Alle Rettungsorganisationen zusammen kommen auf mindestens 4.000 solcher Einsätze pro Jahr. Ziel ist nicht nur der Abtransport von schwer verletzten Personen, sondern auch die schnelle notfallmedizinische Versorgung vor Ort. „Wir sind mit unseren Rettungshubschraubern oft die ersten am Unfallort. Der Verkehr rollt noch und die Besatzung ist darauf angewiesen, dass er von sich aus irgendwann stoppt und eine Landefläche freigemacht wird oder die Polizei eintrifft und die Spuren sperrt“, beschreibt Daniel Hecht, Regionalleiter Flugbetrieb bei der ADAC Luftrettung und selbst Pilot, die Herausforderung. Wo der Hubschrauber landet, entscheidet der Pilot kurzfristig und abhängig von den jeweiligen Begebenheiten. „Das DLR ist mit der Idee auf uns zugekommen, quasi automatisch und auf Knopfdruck eine sichere Landefläche zu schaffen. An solch einer technologischen Lösung sind wir natürlich sehr interessiert, um unsere Rettungseinsätze in Zukunft noch schneller und sicherer zu machen.“
Vor der ersten Live-Demonstration galt es jedoch für die Projektpartner zunächst den Einbau der entsprechenden Hardware zu erproben, alle Komponenten zu verbinden und in ersten Flugversuchen zum Beispiel die benötigte Reichweite der Funksender und -empfänger zu ermitteln. „Der Bereich der Rettungsmobilität ist als Anwendungsfall sehr praxisnah und verständlich. Er kann Vorreiter sein und zeigen, was mit der Air2X-Technologie möglich ist“, fasst Projektleiter und DLR-Forscher Maik Bargmann zusammen. Auch ein Folgeprojekt ist schon in Planung, um die Interaktion des Piloten mit dem System weiter zu erforschen. Zudem soll das Sendesystem in einen Hubschrauber des DLR eingebaut werden.
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